Schotthoefer
Urteile - Archiv
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Januar 2007

1. LG Heilbronn: Auf dem Weg zur Nummer 1: unzulässig

- Der Verbraucher versteht diese Angabe als Hinweis auf den größten Umsatz

- Er schließt von der Marktbedeutung auf Preisvorteile sowie auf Vorteile bei Umsatz/Sortimentsbreite und Qualitätsstandard

- von einer auf Größe und Bedeutung eines Unternehmens zielenden Werbung geht eine erhebliche Anreizwirkung aus


2. OLG Koblenz: Auch Postfach kann Anschrift sein

- Unter dem Begriff " Anschrift " ist auch die Postfachanschrift zu verstehen

- Der Verbraucher soll sein Widerrufsrecht auch tatsächlich ausüben können. Diesen Anforderungen genügt auch die Postfachangabe des Empfängers der Widerrufserklärung.


3. OLG München: Bedingungen müssen bereits in der Werbung genannt werden

- Die Werbeaussage " Eröffnungsrabatt - 30% - auf alle unsere Polstermöbel - Besteller " ist unzulässig, wenn der Nachlass sich nur auf 15 Polstermöbeltypen eines bestimmten Herstellers gewährt

- Bei Zugaben, Nachlässen und Geschenken müssen die Waren angegeben werden, die gekauft werden müssen, um Vorteile zu erhalten.

- Die Voraussetzungen müssen bereits in der Werbung mit den Verkaufsförderungsmaßnahmen genannt werden.


4. OLG Celle: Keine Bonuspunkte bei Gruppenzwang

- können Bonuspunkte durch den Kauf von Produkten erworben werden, ist dies unzulässig, wenn für die Vorlage eines " Klassenfahrtsparbuches " mit 222 Punkten eine Klassenfahrt versprochen wird

- Damit wird auf die Entscheidungsfreiheit der Schüler und ihrer Eltern in unangemessener und unsachlicher Weise eingewirkt

 

5. OLG Hamm: Kussmund in Zahnarztwerbung zulässig

- Zahnärzte dürfen im Rahmen ihrer Berufsordnung werben

- Standeswidrig ist die Werbung nur, wenn sie irreführende oder nicht interessengerechte und nicht sachangemessenene Informationen liefert

- Ein Arzt muß sich nicht in seiner Werbung auf nüchterne Fakten beschränken, auch Sympathiewerbung ist ihm erlaubt

- Ein " Kussmund " in der Werbung eines Zahnarztes ist nicht standeswidrig


6. AG Hamburg: Bereits eine E-Mailwerbung ist erhebliche, unzumutbare Belästigung

- Die einmalige Zusendung einer Werbe - E-Mail an einen Rechtsanwalt stellt eine erhebliche, nicht hinnehmbare Belästigung des Empfängers dar

- Die Notwendigkeit genauer Überprüfung aller per E-Mail eingehenden Mitteilungen verursacht eine nicht unerhebliche Störung des Betriebsablaufs

- Das AG Dresden hat vor kurzem in einer anderen Entscheidung anders entschieden


7. LG Berlin: Anwaltsvertrag ist urheberrechtlich geschützt

- Auch einem Gebrauchszweck dienende Schriftstücke können urheberrechtlich geschützt sein

- Voraussetzung ist, dass die Form und Art der Sammlung, der Einteilung des dargebotenen Stoffes und die Art der Darstellung individuelle schöpferische Züge tragt und über eine bloß handwerks– oder routinemäßig erbrachte Leistung hinausgeht

- Vorliegend konnte dem Text unter Berücksichtigung des Gesamteindruckes urheberrechtlicher Schutz nicht verweigert werden.

 

8. OLG Frankfurt: „Lions“ -Sammelaktion

- Eine Wettbewerbshandlung ist unlauter, wenn sie geeignet ist, die geschäftliche Unerfahrenheit insbesondere von Kindern und Jugendlichen auszunutzen

- Von der geschäftlichen Unerfahrenheit bei Kindern und Jugendlichen ist stets auszugehen

- Nach Fall von Rabattgesetz und Zugabeverordnung ist eine Sammelaktion der vorliegenden Art im allgemeinen üblich geworden

-Die Intensität der Beeinflussung muß so groß sein, dass die Rationalität der Entscheidung völlig in den Hintergrund tritt.

 


 

1. Auf dem Weg zur Nummer 1: Unzulässige Alleinstellungsbehauptung

Ein Möbeleinzelhandelsunternehmen hatte für eine Neueröffnung in einem Prospekt mit der
Aussage geworden „ Der große Möbeldiscounter Auf dem Weg zur Nummer 1 „. Das Land –gericht (LG) Heilbronn sah darin eine Alleinstellungsbehauptung, die unzulässig, weil im konkreten Fall unzutreffend sei.

Der Verbraucher verstehe diese Angabe als Hinweis auf den größten Umsatz. Er schließe
von der Marktbedeutung auf Preisvorteile im Vergleich zu weniger bedeutenden Unter -
nehmen sowie auf Vorteile bei Umsatz/Sortimentsbreite und Qualitätsstandard. Erfah -
rungsgemäß gehe deshalb von einer auf die Größe und Bedeutung eines Unternehmens zielenden Werbung eine erhebliche Anreizwirkung auf die angesprochenen Verbraucher aus, was zwangsläufig zu einer Verlagerung der Nachfrage führe.

LG Heilbronn vom 29. Juli 2005, Az. 21 0 50/05
WRP 2005,1570

 

 

2. Auch Postfach kann Anschrift sein

Eine Reihe von Vorschriften schreibt die Angabe einer Adresse vor, um dem Verbraucher die Kommunikation zu erleichtern. So muss in bestimmten Fällen ein Kunde auf die Möglichkeit eines Widerrufs einer Erklärung hingewiesen werden. In diesem Hinweis ist nach dem Gesetz die Adresse anzugeben, an die ein Widerruf gerichtet werden muss. Werden diese Formalien nicht eingehalten, erlischt das Widerrufsrecht des Kunden nicht wie sonst binnen 14 Tagen.

In einem vom Oberlandesgericht (OLG) Koblenz entschiedenen Fall kam es auf die Frage an, ob eine Postfachanschrift eine in diesem Sinne zulässige Anschrift darstellt.

Die Richter waren der Auffassung, unter dem Begriff " Anschrift " sei nicht nur die Hausanschrift (also Straßenname und Hausnummer) zu verstehen, sondern auch die Postanschrift und dementsprechend auch die Postfachanschrift. Das ergebe sich aus dem Gedanken des Verbraucherschutzes. Der benötige eine möglichst umfassende, unmissverständliche und eindeutige Belehrung. Der Verbraucher solle nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch dieses tatsächlich ausüben können. Diesen Anforderungen genüge auch die Postfachangabe des Empfängers der Widerrufserklärung.

OLG Koblenz vom 31.7.2005 ; Az. 2 U 44/05
NJW 2005, S. 3430

 


3. OLG München: Bedingungen müssen bereits in der Werbung genannt werden

§ 4 Nr. 4 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb schreibt vor, dass die Bedingungen bei der Inanspruchnahme von Verkaufsförderungsmaßnahmen bereits in der Werbung klar und eindeutig anzugeben sind. Ob diesen Anforderungen die Werbung eines Polstermöbelherstellers gerecht wurde, hatte das Oberlandesgericht (OLG) München zu klären.

Ein Polstermöbelhaus hatte mit der Aussage " Eröffnungsrabatt - 30% - auf alle unsere Polstermöbel - Besteller " geworben. Tatsächlich wurde der Nachlass aber nur auf 15 Polstermöbeltypen eines bestimmten Herstellers gewährt.

Der Senat sah darin einen Wettbewerbsverstoß. Bei Zugaben und Geschenken müssten die Waren angegeben werden, die gekauft werden müssten, um die Vorteile zu erhalten. Genannt werden müssten die Voraussetzungen für die Gewährung eines Vorteiles, auch bei Preisnachlässen. Diese Voraussetzungen müssten bereits in der Werbung mit den Verkaufsförderungsmaßnahmen genannt werden. Diese Bedingung sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

OLG München vom 7.4.2005 ; 29 U 1518/05
GRUR – RR 2005,S. 356

 


4. Keine Bonuspunkte bei Gruppenzwang

Ein Hersteller von Süßwaren warb für seine Produkte im Internet und auf Verpackungen in der Form, dass für jedes Produkt ein oder mehrere " Klassenfahrtpunkte " vergeben wurden, die auf den Verpackungen ausgedruckt waren und in ein" Klassenfahrtsparbuch " eingeklebt werden mussten. Waren 222 solcher Punkte gesammelt und in das " Klassenfahrtsparbuch " eingeklebt, berechtigte dies eine Schulklasse zu einer Tagesfahrt zu einem Preis von 99 EUR pro Person in eine bestimmte deutschen Großstadt. Daneben bestand auch die Möglichkeit,
an einer Verlosung von zehn kompletten mit " Klassenfahrtpunkten " ausgestatteten " Klas -senfahrtsparbüchern " teilzunehmen.

Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hielt diese Aktion - im Gegensatz zum Erstgericht - für wettbewerbswidrig. Es müssten Punkte gesammelt und deswegen Produkte gekauft werden. Damit werde auf die Entscheidungsfreiheit der Schüler und ihrer Eltern in unangemessener und unsachlicher Weise eingewirkt. Entscheide sich nämlich eine Schulklasse mehrheitlich für eine solche Klassenfahrt, hätten es die " Abweichler " schwer, sich durchzusetzen. Sie könnten als Spielverderber angesehen und ihnen mangelnde Solidarität mit der Klassen -mehrheit vorgeworfen werden. Eltern und Kinder würden so dem Druck ausgesetzt, überflüssige Käufe zu tätigen, von denen sie sonst ohne eine derartige Aktion abgesehen hätten.

OLG Celle vom 21.7.2005 ; Az. 13 U 13/05
GRUR - RR 2005,S. 387

 

5. OLG Hamm: Kussmund in Zahnarztwerbung zulässig

Ein Zahnarzt, der sich mit " ästhetischer Zahnheilkunde ", " Laser - Behandlung " und "Implantologie " beschäftigte, warb mit Abbildungen eines Kussmundes. Seine Standesvertretung fand dies gar nicht anregend und klagte gegen ihn wegen standeswidriger Werbung.

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hatte an dieser vermeintlich anstößigen Werbung aber nichts auszusetzen. Zwar sei einem Arzt standeswidrige Werbung und Anweisung untersagt. Standeswidrig sei Werbung aber nur, wenn sie keine interessengerechte und keine sachange -messenenen oder irreführende Informationen liefere. Ein Arzt müsse sich in seiner Werbung nicht auf nüchterne Fakten beschränken, auch Sympathiewerbung sei ihm erlaubt. Im vorliegenden Fall habe der " Kussmund " zwar Aufmerksamkeit erregt, doch sei gerade dieses Sinn und Zweck der Werbung. Durch den " Kussmund " entstehe auch nicht der Eindruck, dass der werbende Zahnarzt sich nicht an medizinischen Notwendigkeiten orientiere. Die Abbildung eines Mundes in der Werbung eines Zahnarztes liege auch nicht völlig fern.

OLG Hamm vom 7.6.2005 ; Az. 4 U 34/05
GRUR RR 2005,S. 396

 

 

6. AG Hamburg: Bereits eine E-Mailwerbung ist erhebliche, unzumutbare Belästigung

Das Amtsgericht (AG) Dresden hatte vor kurzem entschieden (Az. 114 C 2008/05), dass die Zusendung einer E-Mailwerbung an einen Rechtsanwalt ohne vorheriges Einverständnis des Empfängers zulässig sei, weil sie leicht als Werbung erkennbarer gewesen und innerhalb weniger Sekunden gelöscht werden konnte.

Das Amtsgericht Hamburg hat nun in einem anderen Fall festgestellt, dass bereits die einmalige Zusendung einer Werbe - E-Mail an einen Rechtsanwalt eine erhebliche, nicht hinnehmbare Belästigung des Empfängers sei. Zwar ließen sich E-Mails werbenden Inhalts grundsätzlich schnell, auch ohne Öffnung, löschen. Ein Anwalt sei aber verpflichtet, ihm zugesandt E-Mails sorgfältig auf ihre Relevanz für den Kanzleibetrieb zu prüfen. Lösche ein Anwalt versehentlich ein Schreiben mit einer wichtigen kanzleibezogenen Mitteilung, könne dies zu einem Haftungsfall führen. Die deswegen erforderliche Sorgfalt bei der Überprüfung des Werbematerials verursache eine nicht unerhebliche Störung des Betriebsablaufs. In diesem Fall hat das Gericht daher dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung gegen den Versender der E-Mailwerbung stattgegeben.

AG Hamburg vom 20.6.2005 ; Az. 5 C 11/05
GRUR - RR 2005, S. 399

 

7. LG Berlin: Anwaltsvertrag ist urheberrechtlich geschützt

Eine größere Anwaltskanzlei hatte im Jahre 2000 auf ihrer Website Mustertexte u. a. für einen „ Host – Providing - Vertrag „ zum kostenlosen Abdruck zur Verfügung gestellt mit dem Hinweis, dass der Urheberrechtsvermerk vom Mustertext nicht entfernt werden dürfe.
Auf einer anderen Website allerdings fand sich im Jahre 2002 dieser Text einschließlich eines eigenen, also nicht des ursprünglichen Urhebervermerkes wieder.

Das Landgericht (LG) Berlin verbot die Übernahme dieses Textes ohne den ursprünglichen Urheberrechtsvermerk und ohne Genehmigung des Urhebers. Auch einem Gebrauchszweck dienende Schriftstücke könnten urheberrechtlich geschützt sein. Voraussetzung sei, dass die Form und Art der Sammlung, der Einteilung des dargebotenen Stoffes und die Art der Darstellung individuelle schöpferische Züge trage und über eine bloß handwerks – oder routinemäßig erbrachte Leistung hinausgehe.

Vorliegend seien die wechselseitig zu erbringenden Leistungen definiert und dann die regelungsbedürftigen Punkte festgelegt worden. Dies habe in die Zukunft gerichtete Überlegungen erfordert, welche Streitigkeiten auftreten könnten. Die Stoffsammlung sei dann in eine folgerichtige und übersichtliche Anordnung gebracht worden. Schließlich habe der Verfasser den Stoff in eine unmissverständliche sprachliche Form gekleidet, die einerseits einer juristischen Überprüfung standhalten, andererseits aber auch den Benutzern als juristischen Laien wenigstens insoweit verständlich sollte, dass sie ihre Rechte und Pflichten erkennen könnten. Unter Berücksichtigung des Gesamteindruckes könne dem Vertrag urheberrechtlicher Schutz nicht verweigert werden.

LG Berlin vom 4.8.2005 ; Az. 16 0 83/05
Computer und Recht 2005, S. 895

 

 


8. OLG Frankfurt: „Lions“ -Sammelaktion

Bei einer Werbeaktion für die Schokoriegel " Lions " und " Nuts " konnten Gutscheine im Wert von 5 Euro für einen Einkauf bei „amazon“ gesammelt werden. Während das Landgericht (LG) Frankfurt darin ein wettbewerbswidriges Anlocken von Kunden, insbesondere von Kindern und Jugendlichen sah, hatte das übergeordnete OLG Frankfurt nichts daran auszusetzen.

Zwar sei eine Wettbewerbshandlung unlauter, wenn sie geeignet sei, die geschäftliche Unerfahrenheit insbesondere von Kindern und Jugendlichen auszunutzen. Allerdings müsse sich die Aktion auch tatsächlich an Kinder und Jugendliche wenden. Ausschlaggebend sei hier der Empfängerhorizont. Bereits daran könne im vorliegenden Fall gezweifelt werden. Aus einem Gutachten ergebe sich, dass sich die Aktion in erster Linie auf die Gruppe der 40 bis 49-jährigen, gefolgt von der Gruppe der 30 bis 39-Jährigen richte. Der Umstand, dass der Kunde auf der Verpackung mit " Du " angesprochen werde, ändere daran nichts. Diese Anrede sei in der Werbung durchaus auch im Zusammenhang mit Erwachsenen gebräuchlich
( " Wohnst Du noch oder lebst du schon? "). Außerdem trage auch an Erwachsene gerichtete Werbung bisweilen durchaus naive Züge.

Von der geschäftlichen Unerfahrenheit bei Kindern und Jugendlichen sei stets auszugehen. Sie neigten dazu, gefühlsmäßig und spontan zu entscheiden. Allerdings bedeute dies nicht, dass jede Werbung, die sich gezielt an Kinder und Jugendlichen als Verbrauchergruppe wende, damit auch geeignet sei, deren geschäftliche Unerfahrenheit auszunutzen. Zwar reiche die Eignung zur Ausnutzung aus. Allerdings komme es für die Beurteilung auch darauf an, ob die Ausnutzung eines durchschnittlich aufmerksamen und verständigen Mitglieds der angesprochenen Altersgruppe objektiv wahrscheinlich sei.

Nach Fall von Rabattgesetz und Zugabeverordnung sei eine Sammelaktionen der vorliegenden Art im allgemeinen üblich geworden. Deswegen erscheine es unzulässig, diese allgemein gebräuchliche und dem Verkehr gewohnte Werbeform in der Werbung gegenüber Kindern generell als unzulässig zu bewerten. Die Intensität der Beeinflussung müsse so groß sein, dass die Rationalität der Entscheidung insbesondere im Hinblick auf Preiswürdigkeit und Qualität des Angebotes völlig in den Hintergrund treten. Davon könne im vorliegenden Falle nicht ausgegangen werden.

OLG Frankfurt vom 4.8.2005 ; Az. 6 U 224/04
- Fundstelle: eigene -

 

 

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Dr. Peter Schotthöfer

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